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Ansprache bei der ersten Generalaudienz am 6. September

<h2>"De nederigheid"</h2>

geluidsfragment in het Italiaans

 

 

 

Zu meiner Rechten und meiner Linken sitzen die Kardinäle und Bischöfe, meine Brüder im Bischofsamt; ich bin nur ihr größerer Bruder. Ihnen und Ihren Diözesen gilt mein herzlicher Gruß. Vor genau einem Monat ist in Castel Gandolfo Paul VI. gestor-ben, ein großer Papst, der in den 15 Jahren seines Dienstes Au-ßerordentliches für die Kirche geleistet hat. Die Wirkungen las-sen sich zum Teil schon jetzt erkennen, aber ich glaube, daß man sie vor allem in der Zukunft sehen wird. Jeden Mittwoch kam er hierher, um zu den Pilgern zu sprechen. Auf der Synode von 1977 sagten einige Bischöfe: „Die Mittwochsansprachen von Papst Paul sind eine echte Katechese für unsere heutige Zeit."

Ich werde versuchen, ihn nachzuahmen in der Hoffnung, auch ich könnte den Menschen irgendwie helfen, besser zu werden. Wer gut sein will, muß aber mit Gott, dem Nächsten und sich selbst zurechtkommen. Vor Gott ist die Haltung Abrahams die richtige, der gesagt hat: „Ich bin nur Staub und Asche vor dir, o Herr!" Vor Gott müssen wir uns gering vorkommen. Wenn ich sage: „Herr, ich glaube", schäme ich mich nicht, mich wie ein Kind vor seiner Mutter zu fühlen; der Mutter glaubt man. Ich glaube an den Herrn, der sich mir geoffenbart hat.

Die Gebote sind schon etwas schwieriger, bisweilen sehr schwierig zu befolgen; aber Gott hat sie uns nicht aus einer Laune heraus, nicht zu seinem, sondern einzig und allein zu un¬serem Besten gegeben. Einmal wollte einer ein Auto kaufen. Der Händler redete auf den Mann ein: „Schauen Sie, welche Leistung dieser Wagen bringt; Sie müssen ihn gut behandeln: Super in den Tank und gutes Öl fürs Getriebe." Der andere aber entgegnete: „Damit Sie es wissen, ich kann weder Benzin noch Öl riechen; in den Tank werde ich Schaumwein gießen, den ich sehr gerne habe, und das Getriebe werde ich mit Marmelade schmieren." „Machen Sie, was Sie wollen, aber beschweren Sie sich nicht bei

 

mir, wenn Sie mit Ihrem Wagen im Graben landen!" — Ähnlich hat es der Herr mit uns gemacht: er hat uns diesen Körper ge-schenkt, belebt von einer Geistseele und einem guten Willen. Er hat gesagt: Der Motor ist gut, aber du mußt ihn gut behandeln. Dazu eben sind die Gebote da: Du sollst Vater und Mutter ehren; du sollst nicht töten; du sollst nicht zürnen, sondern feinfühlig sein; du sollst nicht lügen, nicht stehlen ... Wenn wir imstande wären, die Gebote zu befolgen, ginge es uns und der Welt bes-ser.

Dann ist da der Nächste, aber den Nächsten gibt es auf drei Ebe¬nen: einige sind über uns, andere stehen auf derselben Stufe wie wir, wieder andere unter uns. Über uns stehen unsere Eltern. Im Katechismus heißt es, wir sollen sie ehren, lieben und ihnen ge¬horchen. Ein Papst muß die Achtung und den Gehorsam den El¬tern gegenüber einschärfen. Ich habe gehört, daß sich hier auch die Ministranten aus Malta befinden. Einer möge herkommen, bitte ... Die Ministranten aus Malta haben einen Monat lang Al¬tardienst in St. Peter gemacht. (Im folgenden entwickelte sich ein von den Audienzbesuchern mit viel Beifall aufgenommener kurzer Dialog. Anm. d. Red.):

Also, wie heißt du? — James! — James, sag, bist du schon einmal krank gewesen? — Nein. — Noch nie? — Nein. — Du warst noch nie krank? — Nein. — Du hast nicht einmal Fieber gehabt? — Nein. — Du Glücklicher! Aber wenn ein Kind krank ist, wer bringt ihm dann das Essen und die Medizin? Ist das nicht die Mutter? Na also. Dann wirst du erwachsen, und die Mutter wird alt; wenn du groß bist und die arme Mutter krank im Bett liegt, wer bringt ihr dann etwas Milch und die Medizin? — Ich und meine Geschwi¬ster!

Bravo! Er und seine Geschwister, hat er gesagt. Das gefällt mir, hast du gehört!

Aber es ist nicht immer so. Als Bischof von Venedig besuchte ich die Altenheime. Einmal traf ich eine alte kranke Frau. „Wie geht es Ihnen?" — „Nun ja, zu essen habe ich genug." — „Haben Sie eine warme Heizung?" — „Die ist in Ordnung." — „Also sind Sie zufrieden?" — „Nein", sagte sie und war den Tränen nahe. „Aber warum weinen Sie denn?" — „Meine Schwiegertochter und mein Sohn kommen mich nie besuchen. Ich möchte gern meine En

 

kelkinder sehen!' Ein geheiztes Zimmer und Nahrung genügen also nicht, da ist noch ein Herz; und wir müssen gerade an das Herz unserer Alten denken. Der Herr hat uns aufgetragen, unsere Eltern zu ehren und zu lieben, auch wenn sie alt sind. Und außer den Eltern gibt es noch den Staat, die Vorgesetzten. Kann der Papst Gehorsam empfehlen?

Der große Bischof Bossuet hat einmal geschrieben: „Wo keiner befiehlt, befehlen alle. Wo alle befehlen, befiehlt keiner mehr, sondern das Chaos." Manchmal sieht man auch heute derglei-chen. Daher wollen wir diejenigen achten, die über uns stehen. Dann gibt es jene, die auf derselben Stufe wie wir stehen. Hier muß man gewöhnlich zwei Tugenden pflegen: Gerechtigkeit und Liebe. Aber die Liebe ist die Seele der Gerechtigkeit. Wir sol¬len den Nächsten lieben, wie es uns der Herr so nachdrücklich geboten hat. Ich lege den Menschen nicht nur die großen, son¬dern vor allem auch die kleinen Taten der Nächstenliebe stets ans Herz. In einem von dem Amerikaner Carnegie geschriebenen Buch mit dem Titel „Wie man Freunde gewinnt" habe ich fol¬gende kleine Episode gelesen: Eine Frau hatte vier Männer im Haus, ihren Mann, einen Bruder und zwei erwachsene Söhne. Sie machte allein die Einkäufe, besorgte das Waschen und Bügeln, kochte — alles machte sie allein. Eines Sonntags kommen sie nach Hause. Der Tisch ist zum Mittagessen gedeckt, auf den Tel¬lern liegt aber nur eine Handvoll Heu. Da protestieren sie und ru¬fen: „Was? Heu!" Sie aber sagt: „Nein, es ist alles vorbereitet. Aber laßt euch etwas sagen: Ich gebe mir alle Mühe, ich bringe abwechslungsreiche Speisen auf den Tisch, ich halte das Haus sauber, ich mache alles. Aber nie, nie habt ihr auch nur ein einzi¬ges Mal gesagt: du hast uns ein feines Essen zubereitet. Sagt doch etwas! Ich bin schließlich nicht aus Stein." — Man arbeitet lieber, wenn die Arbeit auch anerkannt wird. Eben darin bestehen die kleinen Gesten der Liebe. Wir haben sicher alle jemanden im Haus, der eine Anerkennung erwartet.

Und dann gibt es die, die schwächer sind als wir, die Kinder, die Kranken; schließlich jene, die Schuld auf sich geladen haben. Ich bin als Bischof gerade auch jenen nahe gewesen, die nicht an Gott glauben. Ich hatte den Eindruck, daß sie oft nicht Gott bekämpf¬ten, sondern die falsche Vorstellung, die sie von Gott hatten.

 

Wieviel Erbarmen muß man mit ihnen haben! Und auch mit de-nen, die Fehler machen ... Wir müssen wirklich mit uns selbst zurechtkommen.

Ich will hier nur eine Tugend empfehlen, die dem Herrn sehr teuer war. Er sagte: „Lernt von mir, denn ich bin freundlich und von Herzen demütig." Ich laufe Gefahr, jetzt etwas Ungewöhnli-ches zu sagen, will es aber trotzdem tun: Der Herr liebt die De-mut so sehr, daß er manchmal schwere Sünden zuläßt. Warum? Weil jene, die diese Sünden begangen haben, dann reuig und de-mütig werden. Keiner wird sich für einen halben Heiligen oder halben Engel halten, wenn er weiß, daß er schwer gefehlt hat. Der Herr hat so sehr empfohlen: Seid demütig. Auch wenn ihr Gro¬ßes geleistet habt, sagt: Wir sind unnütze Knechte. Bei uns allen geht die Neigung in die entgegengesetzte Richtung: hervortreten zu wollen. Bleiben wir bescheiden, das ist die christliche Tugend, die uns zukommt.

Zu den anwesenden Neuvermählten sagte der Papst dann: Die Anwesenheit neuvermählter Ehepaare freut mich ganz be-sonders, denn die Familie ist etwas Großes. In einem Zeitungsar-tikel, den ich einmal schrieb, erlaubte ich mir, zu scherzen, in¬dem ich den französischen Schriftsteller Montaigne zitierte, der sagte: „Die Ehe ist wie ein Käfig: die draußen sind, tun alles, um hineinzukommen; die drinnen sind, tun alles, um herauszu¬kommen." Doch einige Tage später erhielt ich den Brief eines al¬ten Schulinspektors, der Bücher verfaßt hatte und mir vorwarf: „Exzellenz, es war nicht richtig von Ihnen, Montaigne zu zitie¬ren. Ich und meine Frau sind seit 60 Jahren verheiratet, und jeder Tag ist wie der erste." Und er zitierte einen anderen französi¬schen Dichter: „Ich liebe dich jeden Tag mehr, heute mehr als gestern, aber weniger als morgen." Ich wünsche euch, daß es bei euch genauso sein möge.